Kevin allein zu Haus?

Diskussion zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Nachricht25.01.2018Melanie Kögler
Stefanie Hempel, Johanna Hasting, Katja Suding
v.l.n.r.: Stefanie Hempel von Advanced UniByte, Johannas Hasting, Geschäftsführerin der Reinhold-Maier-Stiftung, sowie Katja SudingReinhold-Maier-Stiftung

Junge Eltern müssen sich in Deutschland meist fragen, ob sie die Karriereleiter in Teilzeit erklimmen wollen oder irgendwie versuchen, dienstliche Verpflichtungen und Kita-Öffnungszeiten unter einen Hut zu bekommen. Vor allem für Frauen mündet die Frage nach Kind und Karriere noch viel zu oft in der Entscheidung für das eine und gegen das andere. Gleichzeitig klagt die Wirtschaft über ungenutzte Potenziale und der voranschreitende Fachkräftemangel wird zum Problem unserer Zukunft. Kurz gesagt: Die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind in Deutschland noch längst nicht ideal.

Mit dem demographischen Wandel kommt eine weitere große Herausforderung hinzu: Höhere Lebenserwartungen, sinkende Geburtenraten, mehr Rentner, weniger Beitragszahler – die Notwendigkeit, alternde Familienangehörige zu pflegen und gleichzeitig weiter beruflich eingebunden zu sein, nimmt zu. Auch hierfür bedarf es Regelungen und Flexibilität, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

Wie also kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestaltet werden, damit „Kind“ oder „Oma“ nicht als „Karrierekiller“ gelten? Welche politischen Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden und wie können Unternehmen Vereinbarkeit besser ermöglichen?

Zu dieser Frage diskutierten bei unserer Veranstaltung in Metzingen Katja Suding und Stefanie Hempel von der Advanced UniByte GmbH. Das IT-Systemhaus wurde 2016 mit dem Prädikat „Familienbewusstes Unternehmen“ des Projekts familyNET ausgezeichnet. Ziel des Unternehmens mit Sitz in Metzingen ist es seit seiner Gründung, einzigartig zu sein – sowohl in Bezug auf Kunden, aber auch für die Mitarbeiter. Vor allem in der Lösungsfindung unterscheidet sich Advanced UniByte von vielen anderen Unternehmen: das Vertrauen in die Mitarbeiter werde großgeschrieben, individuelle Lösungen werden – sofern irgend möglich – gefunden, so Stefanie Hempel. Die betriebseigene Kita wurde von Mitarbeitern angestoßen und vom Unternehmen schnell umgesetzt. Vertrauen in die Mitarbeiter und die Übernahme von Verantwortung werden großgeschrieben. Die erfahrene Wertschätzung und die Möglichkeit flexibler Lösungen führe im Umkehrschluss zu einer engen Bindung an das Unternehmen und macht sich auch in der Motivation bemerkbar, so Hempel, die den Begutachtungsprozess für die Auszeichnung zum familienbewussten Unternehmen initiiert und begleitet hat.

Katja Suding beleuchtete die Thematik aus politischer Perspektive. Obwohl Deutschland familienpolitisch sehr aktiv ist, stehen wir gegenüber anderen Ländern beim Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hintenan. Durch den Fachkräftemangel ist es wichtig, auch junge Eltern im Beruf zu halten und ihnen verschiedene Möglichkeiten zu bieten – auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. Eine leichtere Vereinbarkeit von Familie und Beruf könne unter Umständen auch dazu führen, dass sich mehr Menschen wieder bewusst für Kinder entscheiden. Wesentliches Ziel müsse hierbei sein, dass es eine echte Wahlfreiheit für Familien gebe und alle Familien das für sich das passende Modell auswählen können.

In vielen Berufen erleichtert die Digitalisierung ein flexibles Arbeiten, hier müssen jedoch bürokratische Hürden abgebaut werden. Gerade starre Regelungen wie festgelegte Ruhepausen zwischen Arbeitsende und erneutem Arbeitsbeginn verhindern oftmals noch eine leichtere Vereinbarkeit. Sich nachmittags oder abends zu Hause mit ihren Kindern beschäftigen und später – nachdem diese im Bett sind – noch weiterarbeiten – „das muss möglich sein“, forderte Katja Suding. Wochenarbeitszeit statt festgelegter Ruhezeiten und somit die Selbstverantwortung über die Arbeitszeiten kann hier eine Lösung sein, um Flexibilität für diejenigen, die es möchten, zu erreichen.

Direkte Geldzahlungen für Familien oder kostenfreie Kitas haben auch eine Kehrseite: so ist in vielen Fällen kein Geld mehr zusätzlich da, das in die Qualitätssteigerung investiert werden kann. Gerade bei Familien, in denen die Muttersprache nicht Deutsch ist, übernimmt die Kita auch die Aufgabe, die Kinder fit für die Schule zu machen – wenn das qualitativ nicht geleistet werden kann, wird die Kluft in der Gesellschaft vergrößert. Qualität müsse gegenüber Quantität und der Kostenfrage voranstehen, so Suding. Viele Familien würden zudem eine bessere Infrastruktur dem finanziellen Aspekt vorziehen.

Die Politik allein kann das bestehende Problem der Vereinbarkeit jedoch nicht allein lösen: es müssen klare Forderungen gestellt werden, Männer müssen innerhalb der Familie einbezogen werden und auch die Unternehmenskultur lässt sich von der Politik nur schwer beeinflussen. „Wir haben alle die Verantwortung“, so Katja Suding. Es ist also an der Zeit, eingefahrene Strukturen aufzubrechen: Nur durch das Zusammenspiel aller Seiten – der Politik, der Unternehmen und der Familien selbst – kann eine bessere Vereinbarkeit erreicht werden.