Von Leithammeln und Hahnenkämpfen

Wahlnachlese unter Berücksichtigung menschlicher Affekte und politischer Rhetorik
Nachricht19.10.2017Melanie Kögler
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Jürgen Morlok hielt die Festrede anlässlich 40 Jahren Reinhold-Maier-StiftungReinhold-Maier-Stiftung

Eine Wahlnachlese der besonderen Art veranstaltete die Reinhold-Maier-Stiftung bei der Schäferei Kirschbaum im Ostalbkreis: untersucht wurden die Zusammenhänge der Wirkungsweisen politischer Rhetorik und menschlicher Affekte mit einem Exkurs zur Welt der Tiere.

Dr. Julia Frank, Leiterin des Liberalen Forums Rems-Murr-Ostalb der Stiftung, legte in ihrer Begrüßung dar, dass verschiedene Untersuchungen belegt hätten, „dass es im Schnitt nur 5 % einer Menge braucht, die den Weg vorgeben, dann folgen ihnen die restlichen 95 % . Dazu braucht es nicht einmal irgendwelche Signale oder Kommentare, es reicht die reine Vorbildwirkung.“ Eine solche Beeinflussung durch den Herdentrieb mache nachdenklich – gleichsam aber auch die Tatsache, was kühl kalkulierte, einfache Sprache vermag, gesehen sowohl im US-Wahlkampf als auch im zurückliegenden Bundestagswahlkampf.

Das Verhalten in einer Herde stand auch im Zentrum der Ausführungen von Karin Kirschbaum, die durch den Schafstall führte und typische Verhaltensweisen ihrer Tiere erläuterte. Schafe fühlten sich nur in größeren Gruppen wohl, da diese Schutz bieten. Je kleiner die Angriffsfläche sei, desto mehr wirke der Schutz der Herde – das sei auch der Grund, warum Schafe immer einen engen Kontakt suchten. Die Verhaltensweisen direkt am lebenden Objekt erläutert zu bekommen, führte zu vielen interessierten Nachfragen und intensiven Diskussionen.

Melanie Kögler, Kommunikationsreferentin der Stiftung, führte anschließend in die theoretischen Grundlagen politischer Rhetorik ein. Rhetorik sei stets auf Erfolg, Effektivität und Überzeugung gerichtet – ausgehend von einem Orator, der in der Politik dem jeweilig handelnden Politiker entspreche. Die von diesem ausgehenden Überzeugungsmittel bezögen sich auf eine sachlich-rationale Argumentation (Logos), das Image des Redners (Ethos) sowie die Erregung von Affekten (Pathos) beim Adressaten. Das gelungene Zusammenspiel dieser Faktoren müsse immer auf das jeweilige Setting – sowohl örtlich, als auch bezogen auf das Publikum – abgestimmt sein, um möglichst erfolgreich zu kommunizieren. Erschwert werden rhetorische Kalküle in Gesprächssituationen wie dem Kanzlerduell oder der diversen „Elefantenrunden“, da hier stets mit einer Intervention anderer Personen zu rechnen sei und somit die eigene Strategie nicht ungehindert umgesetzt werden könne. Auch mediale Widerstände müsse der Redner stets einkalkulieren. Zwar böten Zeitungen und Zeitschriften sowie das Internet zweifelsohne große Möglichkeiten für die Durchsetzung politischer Ziele, jedoch müssten die Eigengesetzlichkeiten der Medien auch berücksichtigt werden. So ermöglichten Printmedien keine brandaktuelle Berichterstattung und Eingriffsmöglichkeiten werden verringert und im Internet werde die einseitige Kommunikationsrichtung zugunsten von Dialog und Interaktivität geschwächt – Texte und Posts können geteilt und kommentiert werden und werden teils in andere Zusammenhänge gestellt. Kögler betonte, dass dies nicht zwangsweise negativ sei, man jedoch die verschiedenen Kommunikationsformen stets mit allen Vor- und Nachteilen bedenken müsste. Auch im zurückliegenden Wahlkampf sei gut zu beobachten gewesen, wie sich die Kandidaten aller Parteien in Bezug auf ihre Ziele rhetorisch verhalten und welche unterschiedliche Strategien verfolgt wurden, sowohl in Bezug auf das öffentliche Diskussionsverhalten als auch auf die Präsenz in den Sozialen Medien.

Jochen Merkle, Geschäftsführer der Reinhold-Maier-Stiftung, widmete sich abschließend der Bedeutung nonverbaler Kommunikation wie Gestik und Mimik in der Politik als öffentlichen Raum und speziell dem Wahlkampf als besonderer Bühne, die mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird. Er stellte menschliche Affekte als Ausdruck sozialer Phänomene wie Macht, Führungsverhalten, Unterordnung oder Konkurrenz vor und zog – nicht immer ganz ernst gemeinte – Parallelen zur Tierwelt. Von Herdentrieb über Hahnenkampf und Stutenbissigkeit, dem Zickenkrieg, dem Hammelsprung – in der Tierwelt wie auch als Abstimmungsverfahren im Bundestag – bis hin zur Ochsentour und dem Stimmvieh lieferte er zahlreiche Beispiele für tierähnliche Verhaltensweisen aus unserer Umgangssprache. Diese führten aufgrund treffender Vergleiche mit nationalen und internationalen Akteuren „im politischen Zirkus“ auch zur Erheiterung und boten Grundlage für zahlreiche interessierte Nachfragen bot.

So konnte man an diesem Tag festhalten: Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der professionalisierten Politik durch Rhetorik und Wahlkampfstrategien gibt es immer noch einen großen Teil wenig steuerbarer, affektbedingter Verhaltensweisen. „Ob in der Politik oder bei uns hier, der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, schloss Jochen Merkle seinen Vortrag.