Wer hat an der Uhr gedreht?

Innovative Arbeitszeitmodelle und die Zukunft der Arbeit
Nachricht23.01.2018Melanie Kögler
Diskussionsrunde Stuttgart
Die Diskussionsrunde in StuttgartReinhold-Maier-Stiftung

Global, flexibel, digital – die digitale Revolution verändert nicht nur ganze Industrien, sondern auch die Art des Arbeitens selbst. Alte Produktionsweisen, Wertschöpfungsketten und Hierarchien lösen sich auf. Neue Formen der Organisation der Arbeit entstehen. Homeoffice, Crowdworking, Telearbeit und Co-working sind Vorboten einer sich ändernden Arbeitskultur. Bei vielen sind die Arbeitszeiten in den letzten Jahren flexibler geworden – und dabei ist oftmals auch der Übergang zwischen Dienstlichem und Privatem fließend.

Wie viel Zeit werden wir in 10 oder 20 Jahren noch an einem konventionellen Arbeitsplatz verbringen? Wann werden wir arbeiten – 9 to 5 oder „always on“? Benötigen wir mehr oder weniger gesetzliche Regulierung von Arbeitszeit, um erfolgreiches Unternehmertum zu ermöglichen? Welche Auswirkungen hat das auf Arbeitsplätze und die betriebliche Mitbestimmung? Wie bereiten sich Unternehmen auf diesen Wandel vor?

Diese Fragen standen im Zentrum zweier Diskussionsrunden in Stuttgart und Mannheim. Gäste hierbei waren unter anderem Karl-Heinz Paqué, stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Professor für Internationale Wirtschaft an der Universität Magdeburg, sowie Katharina Hochfeld, Leiterin des Kompetenzteams „Diversity and Change“ beim Fraunhofer Center für Responsible Research and Innovation in Berlin.

Die Digitalisierung als Treiber von Veränderungen

Es ist nicht neu, dass es fundamentale Änderungen gibt, vielmehr steht jede Generation vor neuen Herausforderungen und es hat in der Vergangenheit immer wieder radikale Veränderungen durch technischen Einfluss und Fortschritt gegeben, so Paqué: Arbeitsplätze sind weggefallen oder haben sich verändert, zugleich sind wieder neue hinzugekommen. Dass man nicht im Voraus abschätzen könne, wo genau neue entstehen, führe bei den Menschen zu Unsicherheit und stelle die Politik vor ein argumentatives Problem, da diese die Frage nach der genauen Zukunft des Arbeitsmarktes nicht beantworten kann. Fielen früher durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen und die industrielle urbane Struktur vor allem einfache Tätigkeiten weg, trifft dies nun auch immer mehr auf anspruchsvollere Berufe zu. Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Faktor und Treiber von Veränderungen. Man müsse daraus resultierende Veränderungen jedoch mit Mut begegnen und sich um Ergebnisoffenheit bemühen, denn „Angst ist ein miserabler Ratgeber“, so der Volkswirt. Durch die permanente Entwicklung der Prozesse wird auch lebenslanges Lernen immer wichtiger werden – hier müsse man weg von starren Strukturen. Weiterbildung müsse direkt am Arbeitsplatz und permanent erfolgen, nicht für zwei Tage irgendwo.  Der Staat dürfe der Entwicklung hier nicht zu viele Korsette verpassen, so Karl-Heinz Paqué.

Lebenslanges Lernen und neue Formen der Arbeit

Katharina Hochfeld beschäftigte sich in ihrem Impuls mit der Frage, welchen Einfluss Technik auf den Menschen hat – und umgekehrt. Auch sie betonte, dass es sich bei der Digitalisierung nicht um die erste Transformation des Arbeitsmarktes handle, sondern es z.B. die Einführung mechanischer Produktionsanlagen bereits vor einiger Zeit zu einem Wandel des zuvor bekannten Arbeitens geführt habe. Grundsätzlich unterscheiden sich die Voraussetzungen für Arbeitsweisen und –strukturierung zwischen verschiedenen Berufsgruppen: produzierende Branchen benötigen im Normalfall Präsenz, während „Wissensarbeiter“ quasi von überall arbeiten können – sei es klassisch im Büro, in CoWorking Spaces oder auch zuhause. Die Grenzen klassischer Berufe und die Beschränkung auf eine Tätigkeit weichen immer mehr auf: immer mehr Menschen arbeiten zwar zu einem Großteil fest, aber teils gleichzeitig auch selbstständig, ehrenamtlich oder verfolgen sonstige Projekte. Die Unternehmenskultur müsse dabei Raum geben für Entroutinisierung, zumal Routine-Arbeiten am leichtesten zu ersetzen sind.  Heute könne man nicht sagen, welche Berufe es in 100 Jahren geben wird – so wie früher auch niemand gedacht hätte, dass es einmal Webentwickler geben könnte. Berufe, die von Empathie geprägt sind, also beispielsweise in der Pflege, können erst recht spät ersetzt werden. Dies könne auch eine Aufwertung für die entsprechenden Berufsgruppen mit sich bringen. Katharina Hochfeld betonte, dass der permanente Wandel es erfordere, „eine Kultur zu schaffen, in der ständiges Lernen normal ist“ und dieses auch in den Arbeitsalltag integriert werden müsse.

Hintergrund hierfür ist vor allem, dass sich aller Voraussicht nach die Form der Arbeit in Zukunft ändern wird, wie sich alle Diskutanten einig waren. Die Digitalisierung wird weitere Neuerungen und Modifizierungen mit sich bringen, auch wenn man heute noch keine verlässliche Aussage darüber geben kann, wie die künftige Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine aussehen wird. Die Frage, wie sich der Mensch selbst entwickle und wie sich Unternehmen auf den Wandel vorbereiten, müsse Ausgangspunkt der Überlegungen sein, so das Panel. Tätigkeiten werden sich ändern, darauf müsse man flexibel reagieren und sich selbst stetig (weiter)entwickeln. Dies zu unterstützen ist die Aufgabe der Unternehmen. Daniel Gamer, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall betonte bei der Veranstaltung in Mannheim, dass man versuchen müsse, die Angst vor dem sozialen Abstieg zu nehmen und den Menschen gezielt in die Überlegungen einzubeziehen – damit könne man auch die Bereitschaft, die Entwicklung mitzugehen, fördern.

Zweifelsohne steht also unsere Gesellschaft vor großen Herausforderungen, jedoch beinhalten alle Entwicklungen auch gestalterische Potentiale – sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen – die man entsprechend ausschöpfen kann und sollte.