Bildung 4.0 - Unternehmergeist macht Schule?

Nachricht22.11.2017Melanie Kögler
Podiumsdiskussion in Stuttgart
Podiumsdiskussion in StuttgartReinhold-Maier-Stiftung

In einer neuen Reihe setzt sich die Reinhold-Maier-Stiftung mit dem hochaktuellen und wichtigen Thema der zukunftsorientierten Bildung auseinander. Dazu gehört mehr als Tablets und digitale Unterrichtsmaterialien – vor allem ist es wichtig, Schüler frühzeitig auf ihr Leben nach der Schule vorzubereiten, Optionen kennenzulernen. Viele Initiativen haben es sich zum Ziel gesetzt, Unternehmergeist zu fördern und die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überwinden, dennoch gehört die Ausbildung von Gründern immer noch zu den Schwachpunkten des Gründungsstandortes Deutschland.

Die Veranstaltungsreihe hat es sich zum Ziel gemacht, mit Experten aus der Bildungs- und Gründerlandschaft zu diskutieren, welche Ansätze bereits funktionieren, wo es Verbesserungspotential gibt, welche Anforderungen in Zukunft wichtig sein werden und was die Politik leisten muss, um es Schulen zu ermöglichen, die Herausforderung bestmöglich zu bestehen.

Bei der Auftaktveranstaltung im Juli in Mannheim diskutierten Ariane Durian, selbst Geschäftsführerin und zudem Vizepräsidentin der IHK Karlsruhe sowie Europäische Botschafterin für Unternehmensgründungen, Nikolaus Reuter, Vorstandsvorsitzender der Etengo AG mit dem Unternehmensberate Jens Brandenburg. Moderiert wurde die Diskussion von Jörg Diehl, Lehrer sowie Leiter des Liberalen Forums Kurpfalz der Reinhold-Maier-Stiftung.

Verwaltungsratsmitglied Patrick Luik berichtete aus seiner eigenen Schulzeit und zeigte auf, dass von den etwa 120 Schülern in seiner Stufe lediglich zwei Personen gegründet hätten – nämlich er selbst und sein Mitgründer. Es stelle sich daher die Frage, wie Gründertum ebenso wie Mathe oder Geschichte in den Unterricht eingebracht werden könne.

Auch Jens Brandenburg bekräftigte, dass die Vermittlung von Wissen um Unternehmertum und Wirtschaft fehle. Ebenso fehle in der deutschen Kultur die Anerkennung – besonders deutlich zu merken, wenn ein Scheitern eintritt.

Ariane Durian verwies auf Projekte wie das von der IHK ins Leben gerufene „Wirtschaft macht Schule“, bei dem Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen vermittelt werden und womit Schülern berufliche Optionen aufgezeigt werden, so dass die Berufsfindung erleichtert wird. In Deutschland werde der Wert einer Ausbildung unterschätzt – gerade eine duale Ausbildung könne aber von enormem Vorteil sein, da man dort näher dran sei als bei einer rein theoretischen (Aus-)Bildung.

Nikolaus Reuter betonte, wie wichtig es sei, stets nach den Blick vorne zu richten statt nach hinten. Man müsse sich fragen, wie Bildung 2030 sein könne, nicht wie sie 2016 war. Auch Gedanken wie „Eine Tafel wird es immer geben“ seien der falsche Ansatz. Vielmehr müsse man eine Balance finden zwischen alter humanistischer Bildung und Neuerungen. Auch er ging auf den Wert einer Ausbildung ein: es brauche auch Menschen, die nicht akademisiert seien.

Jens Brandenburg plädierte dafür, Schulen mehr Freiheit zu geben, um eigene Prioritäten zu setzen – so würde auch die Frage, was man später im Beruf braucht, eher aufkommen. Bestimmte Qualifikationen, die im Berufsleben unabdingbar seien, beispielsweise das Präsentieren, bekomme man bisher nicht ausreichend vermittelt.

In einer weiteren Veranstaltung eine Woche später in Stuttgart diskutierten neben Unternehmern wie Johannes Ellenberg, dem Geschäftsführer des Start-Ups Accelerate Stuttgart, oder Brigitte Volz, Geschäftsführerin des Quartier Stuttgart, auch Thomas Schenk, Referent Schule Wirtschaft vom Ministerium für Kultus, Wirtschaft und Sport, Petra Weininger, Projektleiterin Schule & Selbständigkeit beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, sowie Sabine Barth, Vorsitzende des Pädagogischen Beirats des Networks for Teaching Entrepreneurship Baden-Württemberg (NFTE) und brachten so wieder andere Perspektiven in das Blickfeld.

Thomas Schenk betonte, dass früher Berufs- und Studienorientierung kaum behandelt wurden, solche Themen und das Fach Wirtschaft inzwischen dank neuer Bildungspläne aber zunehmend integriert werden. Sabine Barth wies darauf hin, dass dies ohne Zweifel wichtige erste Schritte seien, es aber noch entscheidender sei, dass Lehrer fit gemacht würden und diese die Eignungen der Schüler noch besser erkennen – hier stößt man jedoch schnell auf die Hürde, dass Lehrer aufgrund ihrer Ausbildung selten aktive Berührungspunkte zum Unternehmertum hätten und so die Leidenschaft dafür schwer rüberbringen könnten, warf Brigitte Volz ein. Petra Weininger sah hier jedoch nicht allein die Lehrer in der Pflicht, sondern viel werde auch durch äußere Einflüsse gefördert. Dafür könnten beispielsweise auch verstärkt Externe in den Schulen eingesetzt werden, beispielsweise Unternehmer, die von ihren eigenen Erfahrungen berichten. Es herrsche inzwischen immer mehr Offenheit an Schulen vor und diese seien verstärkt bereit, auch neue Wege zu beschreiten.

Unser Verwaltungsratsmitglied und bildungspolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg, Timm Kern hielt fest: „Wer nichts weiß, muss alles glauben“, daher sei es wichtig, dass junge Menschen in Wirtschaftsthemen fit gemacht werden. Zudem müsse auch verstärkt Digitales in die Schulen gebracht werden: „Die Pause darf nicht das Digitalste sein“, so Kern in Bezug auf den dortigen Gebrauch von Smartphones seitens der Schüler. Die Methode müsse aber immer zum Inhalt passen – auch die Tafel oder ein Blatt Papier und Stifte habe eine Berechtigung, wo dies sinnvoll sei. Kern betonte zudem die Notwendigkeit, die Vielfältigkeit der Schüler durch verschiedene Schulen widerzuspiegeln. Die Schüler seien nicht alle gleich, daher müsse es die passende Schule für jedes einzelne Kind geben, wo die Bedürfnisse entsprechend abgedeckt werden können.

Die Diskussion brachte hervor, wie wichtig es ist, dass Schüler neue Perspektiven entdecken und der traditionelle Unterricht stets neu gedacht wird. Es müsse sowohl – rein technisch – Wissen vermittelt werden als auch Leidenschaft geweckt werden. Die Schüler müssen dazu gebracht werden, selbst aktiv zu werden und so auszuloten, welche Zukunftsperspektiven zu ihnen passen.

Wie dies ganz praktisch aussehen kann, machte auch eine weitere Veranstaltung der Reihe in Tübingen im November deutlich. Unser Verwaltungsratsmitglied Christopher Gohl ging in seiner Begrüßung darauf ein, dass die Zahlen für Gründungen rückläufig seien, was unter anderem dadurch zu erklären sei, dass es an einer Kultur des Scheiterns mangele und viele das Risiko scheuen. In Deutschland fehle eine Chancenkultur und eine Kultur des Wagnisses, so Gohl. In der Schule jedoch könnten die Voraussetzungen gelegt werden, auch den Weg des Gründertums für sich in Betracht zu ziehen.

Zwei Vertreterinnen der Tübinger Schülerfirma Greenbooks, die beim diesjährigen Bundes-Schülerfirmen-Contests den siebten Platz belegt hatte, berichteten von ihrem Projekt. So bestehe Greenbooks aus einem vierköpfigen Leitungsteam, das sich um die Buchhaltung, die Website, die Koordination und alle auftretenden Probleme kümmert, sowie über 100 Boten, die Bestellungen, die bei der Tübinger Buchhandlung Osiander getätigt werden, an Kunden in Tübingen mit dem Fahrrad ausliefern.

Durch das Engagement in der Schülerfirma lassen sich wertvolle Erfahrungen für das Leben sammeln, so Charlotte Porsch und Emma Kraas aus dem Leitungsteam. Die Boten lernen den richtigen Umgang mit Kunden und diejenigen, die sich im Leitungsteam engagieren, sammeln Erfahrungen im wirtschaftlichen Handel, lernen, Privates und Geschäftliches zu trennen und bilden ihre sozialen Qualitäten aus. Die Motivation entstehe aus der Identifikation mit dem Projekt und beide betonten, dass sie sich früher eher nicht hätten vorstellen können zu gründen, dies aber durch die Arbeit bei Greenbooks durchaus eine Option für die Zukunft geworden sei.

In der Diskussion betonte Timm Kern, dass es wichtig sei, Schüler bereit auszubilden, so dass diese die Chancen, die die Gesellschaft bietet, erkennen und damit auch nutzen können. Auch Petra Weininger vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau verwies darauf, wie wichtig es sei, Optionen und damit neue mögliche Wege aufzuzeigen. Eine gute Möglichkeit, sich auszuprobieren und zu erkennen, ob ein bestimmter Beruf zu einem passe, sei z.B. die Berufs- und Studienorientierung BOGY. Es sei wichtig, in der Schule bereits Weichen zu stellen und die Schüler zu ermutigen, in der Vielfalt der Angebote das für sich passende für die Zukunft zu finden – sei es ein klassischer Beruf oder eben das Unternehmertum.

Die Veranstaltungsreihe wird im kommenden Jahr weitergeführt.