Reinhold Maier
Unter den deutschen Nachkriegsliberalen nimmt Reinhold Maier eine einzigartige Stellung ein: Denn auf sein Bestreben hin ist die bislang einzige erfolgreiche Länderfusion in der deutschen Nachkriegsgeschichte zu Stande gekommen. 1952 wurde er zum ersten Ministerpräsidenten des neu gegründeten Landes Baden-Württemberg gewählt.
Seit 1945 war er bereits Ministerpräsident des Landes Württemberg-Baden. Maier ist zunächst von der Besatzungsmacht ernannt worden, musste sich dann aber politische Mehrheiten suchen. Hierbei kam ihm seine tiefe Verwurzlung in Württemberg zu gute. Der aus Schorndorf im Remstal Gebürtige hatte seine Jugend in Stuttgart verbracht, anschließend in Tübingen und Grenoble Jura studiert und sich 1920 in der Landeshauptstadt als Rechtsanwalt niedergelassen. Für die DDP übernahm er 1930 das württembergische Wirtschaftsministerium und rückte bald in die Führung der Partei auf, die er ab 1932 auch im Reichstag vertrat. Seine politisch schwerste Stunde schlug im März 1933, als er dort die Zustimmung seiner zusammengeschrumpften Fraktion zu Hitlers Ermächtigungsgesetz erklären musste. Diese verhinderte aber nicht das Ende seiner Partei und hatte für ihn selbst den Verlust aller politischen Ämter zur Folge.
1945 galt Maier als „unbelastet“, weshalb ihn die Amerikaner zum Chef einer Allparteienregierung für Württemberg-Baden machten. Obwohl die Liberalen zwar regional sehr gut abschnitten, aber keineswegs die stärkste Fraktion im Landtag stellten, konnte Maier diese Position selbst dann noch behaupten, als 1952 – maßgeblich vom ihm bewirkt – das heutige Baden-Württemberg entstand und eigentlich die CDU die führende Kraft wurde. Ein Jahr regierte er als Ministerpräsident das neue Bundesland. Danach wollte sich der als „Fuchs aus dem Remstal“ populär Gewordene eigentlich aus der Politik zurückziehen, folgte dann aber 1957 dem Ruf der Bundes-FDP, als diese nach dem Wirbel um Thomas Dehler eine stärker integrierende Führungspersönlichkeit suchte. Von Württemberg aus leitete Maier drei Jahre die Bundespartei eher unauffällig, führte sie aber in ruhigeres Fahrwasser und legte damit auch den Grundstein für das hervorragende Comeback der FDP bei der Bundestagswahl 1961, als sie mit 12,8 % ihr bislang bestes Ergebnis erzielte.
Bis zu seinem Tod 1971 war er Ehrenvorsitzender der Partei; nach ihm wurde die liberale Landesstiftung in Baden-Württemberg benannt.
Biographische Stationen
Kindheit, Jugend und Studium
16.10.1889 Geburt in Schorndorf
1896-1902 Volks- und Lateinschule Schorndorf
29.03.1903 Konfirmation in Schorndorf
1902-1907 Realgymnasium Stuttgart
25.06.1907 Abitur am Realgymnasium Stuttgart
1907-1911 Studium der Rechtswissenschaften in Grenoble und Tübingen
23.10.1912 1. Juristische Staatsprüfung
1913-1914 Referendariat in Schorndorf und Ravensburg
1914-1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg
11.06.1919 2. Juristische Staatsprüfung
Die Anfänge in der Politik
01.07.1919 Eintritt in die Anwaltskanzlei Löwenstein & Kiefe in Stuttgart
01.08.1919 Hauptamtlicher Parteisekretär der DDP Oberschwaben
14.07.1921 Promotion zum Doktor der Rechtwissenschaften in Heidelberg
26.05.1924 Wahl zum Vorsitzenden der DDP Groß-Stuttgart
05.01.1929 Wahl in den Landesvorstand der DDP Württemberg
06.02.1929 Heirat mit Gerta Goldschmidt in Stuttgart
07.11.1929 Geburt der Tochter Magda
Politik am Ende der Weimarer Republik
19.01.1930 Ernennung zum Wirtschaftsminister von Württemberg
24.04.1932 Wahl in den Landtag von Württemberg
11.09.1932 Wahl in den Vorstand der Deutschen Staatspartei
06.11.1932 Wahl in den Reichstag für die Deutsche Staatspartei
05.03.1933 Wiederwahl Maiers in den Reichstag, gemeinsam mit Theodor Heuss u.a.
15.03.1933 Ende der Ministertätigkeit Maiers durch die Absetzung der Landesregierung
23.03.1933 Die 5 Abgeordneten der Dt. Staatspartei stimmen dem Ermächtigungsgesetz zu.
26.05. 1933 Geburt des Sohnes Georg
Die Jahre der NS-Diktatur und die Rückkehr in die Politik nach dem Zweiten Weltkrieg
07.07.1933 Rückkehr Maiers in den Anwaltsberuf nach Aberkennung des Reichstagsmandats
25.08.1939 Emigration der Frau und der beiden Kinder nach England
14.09.1944 Zerstörung des Wohnhauses in Stuttgart bei einem Bombenangriff
1944-1945 Aufenthalt in einer Mühle im Jagsttal zum Schutz vor den Nationalsozialisten
11.05.1945 Amtsantritt als Berater des Landrats von Schwäbisch Gmünd
23.06.1945 Erstes Treffen mit dem Chef der amerikan. Militärverwaltung Col. Dawson
18.09.1945 Gründung der Demokratischen Volkspartei mit Theodor Heuss u.a.
24.09.1945 Vereidigung als Ministerpräsident des Landes Württemberg-Baden
07.01.1946 Rückkehr Gerta Maiers nach Deutschland
Auf dem Weg zum Südweststaat
16.12.1946 Wahl zum Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden im Landtag
01.09.1947 Zusammentritt des Parlamentarischen Rats in Bonn in Anwesenheit Maiers
28.09.1947 Maier schlägt vor, Württemberg-Baden mit -Hohenzollern zu vereinigen.
1948 Veröffentlichung seiner Erinnerungen in „Ende und Wende“, Tübingen
1947-1950 Diskussion über die „Südweststaatsfrage“ und den Abstimmungsmodus
11.01.1951 Wiederwahl als Ministerpräsident von Württemberg-Baden im Landtag
27.12.1951 Wahl zum Vorsitzenden des gemeinsamen Ministerrats der südwestdt. Länder
Zwischen Landes- und Bundespolitik
25.04.1952 Wahl zum Ministerpräsidenten des neuen Landes Baden-Württemberg
12.09.1952 Amtsantritt als Bundesratspräsident
22.01.1953 Treffen mit Heuss und Adenauer zu Beratungen der Westintegration
06.09.1953 Wahl in den Bundestag für die DVP
30.09.1953 Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten nach dem Koalitionswechsel der SPD
26.01.1946 Verleihung des Großkreuzes des Bundesverdienstordens
04.03.1956 Direktwahl Maiers für die FDP/DVP in den Landtag von Baden-Württemberg
15.05.1956 Niederlegung des Bundestagsmandats
Maier als Bundesvorsitzender der FDP
25.01.1957 Wahl zum Bundesvorsitzenden der FDP beim Bundesparteitag in Berlin
15.09.1957 Wiederwahl in den Bundestag für die FDP
28.03.1958 Wiederwahl als Bundesvorsitzenden der FDP beim Bundesparteitag in Düsseldorf
18.05.1958 Gründung der Friedrich-Naumann-Stiftung mit Theodor Heuss u.a.
18.05.1959 Wiederwahl als Bundesvorsitzenden der FDP beim Bundesparteitag in Berlin
22.05.1959 erneute Niederlegung des Bundestagsmandats
28.01.1960 Ernennung zum Ehrenvorsitzenden der FDP beim Bundesparteitag in Stuttgart
15.05.1960 Erneute Direktwahl Maiers bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg
Rückblick und Nachleben
1962 Veröffentlichung seiner Erinnerungen in „Bedrängte Familie“, Tübingen
1964 Veröffentlichung seiner Erinnerungen in „Ein Grundstein wird gelegt“, Tübingen
14.05.1964 Verleihung der Goldenen Verfassungsmedaille des Landes Baden-Württemberg
1966 Veröffentlichung seiner „Erinnerungen 1948-1953“, Tübingen
01.10.1967 Maier schließt seine Anwaltskanzlei in Stuttgart.
16.10.1969 Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Landeshauptstadt Stuttgart
1969-1970 letzte öffentliche Auftritte
19.08.1971 Tod in der Wohnung und Beisetzung in seiner Heimatstadt Schorndorf
31.03.1977 Gründung der Reinhold-Maier-Stiftung Baden-Württemberg