Diskussion über das Verhältnis von Journalismus und Digitalisierung

Veranstaltungsbericht29.07.2019Dr. Jan Havlik, Programmmanager Region Stuttgart, Reinhold-Maier-Stiftung
Journalismus Digitalisierung
In Stuttgart diskutierten Prof. Dr. Alexander Mäder (rechts), Professor für digitalen Nachrichtenjournalismus an der Hochschule der Medien, und die Journalistin Christine Bilger über die Auswirkungen der Digitalisierung auf den JournalismusWolfgang Vogt / Reinhold-Maier-Stiftung

Die Digitalisierung gehört heute zu unserem Alltag fest dazu. In kaum einem anderen Bereich hat das aber solche gravierenden Auswirkungen wie im Bereich der Medien. Eine morgendliche Tageszeitung im Briefkasten gehört schon lange nicht mehr fest in jeden Haushalt und die Zeit, in der sich die Familie zu den Nachrichtensendungen allabendlich vor dem Fernseher versammelte, ist auch vorbei. Auch bei der Methode, wie Nachrichten entstehen, hat sich Journalismus stark verändert.

Um diese spannende Entwicklung ging es bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Titel „Freund oder Feind - Zum Verhältnis von Journalismus und Digitalisierung“ mit dem Deutschen Journalistenverband (DJV) Baden-Württemberg in den Stuttgarter „Design Offices“.

Alexander Mäder, der als Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart journalistischen Nachwuchs in digitalem Nachrichtenjournalismus unterrichtet, präsentierte in seinem Eingangsvortrag interessante Fakten. So ist die Entstehung einer Meldung heute unmittelbar von schnellen Nachrichtenabläufen durch die modernen Informationsmedien geprägt. „Die sogenannte Chronistenpflicht, die früher vom Journalismus verlangt wurde, bei der die fertige Vermeldung von Geschehnissen im Mittelpunkt stand, wird heute zunehmend infrage gestellt“, sagte Mäder und verwies darauf, dass Meldungen sich heute oftmals permanent anpassen müssten, gewissermaßen als „Work in Progress“. Auch sei die Menge der Nachrichtengeber und Meinungsbildner durch die neuen Methoden der Veröffentlichung unendlich größer geworden.

Journalisten seien nach Aussage Mäders heute eben nicht mehr die „Torwächter“ der öffentlichen Meinung. Dennoch plädierte er für den Journalismus als Profession. Der Pressekodex, wonach Meldungen auf Grundlage gründlicher Recherche entstehen sollten, Aussagen verifiziert werden müssten und Meinungen von reinen Nachrichten zu trennen seien, gelte immer noch. Auch wenn viele den Journalismus am Ende und sogar die Ersetzbarkeit von Journalisten durch automatische Nachrichtenmaschinen sähen, sei dies aus Sicht Mäders nicht zu befürchten: „Ein wenig beachteter Punkt in dieser Diskussion bleibt bestehen: Mit Journalisten kann und soll man reden.“

Aus der Praxis sprach Christine Bilger, erfahrene Journalistin bei der Stuttgarter Zeitung und Kreisvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. In der Gesprächsrunde unter reger Beteiligung des Publikums gab sie Einblicke in ihren Berufsalltag. Spannend auch deshalb, weil Bilger als Polizeireporterin tätig ist. Schnell stand der Begriff des „Qualitätsjournalismus“ im Raum und Bilger schilderte, wie Zeitungen heute rechnen müssten, nicht zuletzt aufgrund zurückgehender Anzeigeneinnahmen. Die personelle Ausstattung von Redaktionen sei heute dünner als noch vor Jahren und in den Redaktionen müssten – nicht zuletzt aufgrund der Online-Meldungen – wesentlich mehr Aufgaben bewältigt werden.

Auf großes Interesse bei den Zuschauern stieß, als sie schilderte, welchen Weg eine Meldung nimmt, bevor sie einen Platz in der Zeitung findet. So wurde in der Diskussion schnell klar, dass Digitalisierung nicht nur den Journalismus als Beruf und das Leserverhalten verändert, sondern es auch vom Vertrauen in Medien und Meldungen abhängt, ob Leserinnen und Lesern Journalismus etwas wert sein kann. Der Gegensatz, der im Titel behauptet wurde, existiert in der Realität nicht in dieser Schärfe: Zu sehr sind die Möglichkeiten, Beeinflussungen und Arbeitsweisen miteinander verzahnt und im Verhalten der Leserinnen und Leser gibt es diese Trennung sowieso nicht: Nachrichten und Artikel stammen für die meisten Menschen aus unterschiedlichen Quellen, je nach Lesegewohnheiten und Interessen. Die Chance des Journalismus bleibt, dass er das Beste aus beiden Welten bieten kann.